Eine große Bitte an euch und alle, die mit dem Thema irgendwie befasst sind:
wenn ein blinde Katze Gefährten oder Geschwister hat, an die sie gewöhnt ist und mit denen sie sich gut versteht, mit denen sie vielleicht sogar ihre ersten Lebenswochen und Monate verbracht hat, dann bitte bitte trennt sie nicht! Diese kleine Gemeinschaft ist etwas Besonderes, was eine andere Katze oder ein neuer Gefährte nicht ersetzen kann und sie ist Lebensglück für die blinde Samtpfote.
Unsere Vicky ist mit ihrem Bruder aufgewachsen und wurde mit ihm vermittelt, das hat ihr sehr geholfen und er war ihre bester Freund und Helfer. Vicky hatte natürlich immer weitere Gefährten, soziale Katzen – doch ihr Bruder Royan war unersetzbar, denn er war Vickys Anderssein gewohnt und hat es berücksichtigt. Und es ist eine Riesenunterschied zwischen berücksichtigen und nur akzeptieren. Akzeptieren ist auch schön, aber es bedeutet, die blinde Katze kommt soweit sie es von sich aus kann mit den anderen mit, mehr nicht. Eine blinde Katze kann die Körpersprache der anderen Katzen nicht erfassen und ignoriert dadurch einen Teil der Kommunikation – damit gehen die anderen Katzen sehr unterschiedlich um.
Royan war hochsozial und hat sich immer gekümmert, nicht nur um Vicky, doch davon ab war er ganz einfach und entscheidend mit ihrem Handicap vertraut, für ihn war ihre Andersartigkeit normal und er nahm sie genauso wie sie ist. Sie haben sich katzennormale Raufereien und Kämpfe geliefert, Jagden durchs Haus, das konnte Royan wie keine andere Katze mit Vicky, kein Zuschauer hätte gewußt, daß sie blind ist – im Spiel mit anderen Katzen sah man es.
Leider starb Royan früh, mit acht Jahren, an Nierenversagen. Wir vermuten, dass die Viren vom frühen schweren Katzenschnupfen, die ihn lebenslang begleitet haben, ihm Zahnfleischprobleme, entzündete Krallen und immer wieder Läsionen im Rachen bereitet haben, in ihren Gesamtfolgen sein Leben so drastisch verkürzten.
Er wurde lebenslang behandelt, auch ganzheitlich und das hat ihm das Leben sehr beschwerdearm gestaltet und sein Immunsystem immer wieder unterstützt, er war sehr lebensfroh, doch völlig ließen sich die Viren nie beseitigen.
Nach Royans Tod hatte Vicky noch immer die gewohnte Katzengemeinschaft mit den Katern Jamie, Bonny und Teddy, die ihr natürlich Gefährten waren, doch für sie war Vicky „anders“ und sie konnten darauf nicht eingehen, es nur hinnehmen, ganz anders als Royan.
Jamie hat versucht mit Vicky zu spielen, doch er ist einfach zu fix und dabei auf unseren Dielen mit den Krallen etwas zu laut, die spielerische Interaktion mit Vicky klappte nur sehr begrenzt. Bonny und Teddy waren nie echte Spielgefährten, zu unsensibel im Spiel für Vicky, nur Mitkumpel sozusagen.
Vicky hat sich in der Folge zunehmend auf mich fixiert. Es war mehr als nur die üblichen Apportierspiele und ihre nächtliche Gesellschaft auf meinem Kopfkissen, sie hat sich zurückgezogen, wenn ich nicht da war oder keine Zeit hatte. Das sollte so nicht bleiben, denn ich wollte nicht der alleinige Fixpunkt für ihr Glück sein und kann sowieso keinen Artgenossen ersetzen, zudem wußte ich um die Folgen für Vicky, wenn ich mehrere Wochen wegfahren mußte. Normalerweise werden in der Zeit die Katzen eine noch engere Gemeinschaft, die mich zwar wohl vermißt, aber auch mal ohne mich gut auskommt, sie sind eine gut funktionierende Gruppe. Doch ohne mich würde sich Vicky weiter zurückziehen und bliebe sozusagen einsam und „außen vor“.
Vicky sollte also wieder mehr in die Katzengruppe eingebunden sein, das konnte nur eine weitere Katze schaffen. Ich suchte also eine hochsoziale Mieze, eine Jungkatze und weiblich, denn Kater hatten wir ja nun „genug„.
An unseren Neuzugängen und vor allem an den Nachbarkatzen hatte ich schon bemerkt, daß erwachsene Katzen Vicky nicht leicht annehmen wie sie ist. Schon beim ersten Kontakt sind sie irritiert und fauchen, weil Vicky zum Kennenlernen näheren Kontakt braucht, die kätzisch-höfliche Distanz unterschreitet, was die anderen mit Abwehr quittieren. Anders junge Katzen, sie sind meist neugieriger, offener und vor allem selbst distanzloser im Verhalten.
So fand das Katzenmädchen Ronya zu uns, anfangs absolut menschenscheu, aber immer an den anderen Katzen orientiert und stets auf der Suche nach deren Gesellschaft. Ronya hat Vicky sofort genommen wie sie ist, allerdings hat sie viel Temperament und ist leicht und klein, sie fliegt quasi teils durchs Haus auf ihren Spieljagden und sucht sich dafür lieber die Kater aus. Vicky geht dann eher beiseite, weil die wilde Jagd sie irritiert, doch Ronya sucht auch Vickys Nähe, schläft oft neben ihr und ist immer interessiert an Vickys Spiel mit Bällen und Mäusen. So haben sich über die Monate die Zwei gut aufeinander eingestimmt. Vicky ist seither wieder viel mehr in der Gemeinschaft, ich denke Ronya war eine sehr gute Schicksalswahl, aber sie kommt niemals an das heran, was Royan für Vicky war und ihr bieten konnte, das kann wahrscheinlich kaum eine andere Katze.
Genau deshalb bin ich so froh, daß mir damals Vicky nicht ohne ihren Bruder vermittelt wurde, er hatte entscheidenen Anteil an ihrem Lebensglück und wie sie mit dem Leben zurecht kam. Sicher wäre es auch ohne ihn gegangen, aber niemals so gut und glücklich, deshalb meine dringende Bitte:
laßt einer blinden Katze ihre Gefährten und/oder Geschwister, mit denen sie aufwuchs, die ersten Lebenswochen verbrachte oder die mit ihr leben, wenn sie im Alter erblindet – das mehr an Arbeit oder Futter usw. wiegt das Katzenglück zigfach auf!
Jeder, der das miterleben darf, wird mir aus vollem Herzen zustimmen. Ich wollte damals auch lieber insgesamt fünf als sechs Katzen und hätte man mir Vicky einzeln vermittelt, hätte ich vielleicht nie gemerkt, was ich ihr damit an Lebensqualität genommen hätte, doch nun weiß ich genau, wieviel mehr es für sie war, schlicht unersetzbar!