Scheue Katzen – der Weg ins Vertrauen

Vertrauen ist ein Geschenk.
Am besten wächst es frei von Erwartungen, ohne jeden Druck, ohne Zwang, im Achten der Grenzen und Akzeptieren dessen was ist.  All das läßt ein Wesen sich so sicher wie unter den Umständen möglich fühlen. Und von dort aus entwickelt sich der Weg ins Vertrauen im Miteinander sein, in Achtsamkeit und Empathie. Mit Geduld, mit ganz viel Geduld.
Sich anbieten, da sein. Sich freuen über den gemeinsamen Weg und immer wieder hinschauen und wahrnehmen, wo ist deine Grenze? Wie geht es dir mit mir? Mit uns? Was brauchst du von uns?

Das ist der Weg den ich euch mit scheuen Katzen ans Herz legen möchte.  Es gibt schüchterne, vorsichtige, introvertierte, unsichere und eben „richtig“ scheue Katzen. Es gibt Katzen ohne jedes Grundvertrauen und möglicherweise finden sie das nie, aus Versäumnissen oder traumatischen Erlebnissen in ihrer Vergangenheit und doch könnt ihr sehr gut miteinander leben. Wenn ihr bereit seid den Raum dafür zu geben. Den Raum des „Ich mag dich wie du bist, einfach so, du darfst so sein. Ich biete dir Hilfe an, ich warte hier auf dich.“  Akzeptanz.

Selbstverständlich gibt es medizinische Notwendigkeiten, die uns diese Zeit oder den Raum zunächst nicht lassen. Doch von solchen gesundheitlichen Notlagen schreibe ich hier nicht, hier geht es um den Weg der Vertrauensfindung. Der Begegnung im Kontakt, wo eine Verbindung möglich ist.

Egal ob eine Katze nur schüchtern ist oder sehr scheu, die Basis eines Miteinander liegt darin die Grenzen der Katze zu achten. Wieviel Nähe kann sie zulassen, bis wohin fühlt sie sich mit uns und/oder den anderen Katzen wohl. Solche Katzen brauchen sichere Rückzugsorte und die sind für uns tabu. Wir lassen die Katzen auf uns zukommen, wir drängen uns nicht auf.

Wenn so eine sehr schüchterne, eine sensible vorsichtige oder scheue Katze bei euch einzieht, dann gebt ihr am besten ein eigenes Zimmer, welches niemand sonst nutzt und laßt sie in Ruhe ankommen. Futter, Wasser, Toilettenservice, all das geschieht immer mit Vorankündigung vorm Betreten des Zimmers, mit viel Ruhe und Gelassenheit und möglichst einer Ablaufroutine, das macht euch für die Katze berechenbar.
Je nachdem wie gut die Samtpfote mit eurer Anwesenheit zurechtkommt, beginnt ihr euch mit zu ihr ins Zimmer zu setzen, ein Buch zu lesen, einfach anwesend zu sein, ihr bietet euch an und sie kann in Kontakt gehen oder eben nicht. Geht nach Gefühl, macht sie etwas neugierig indem ihr selbstvergessen ruhig eine Maus hin- und her rollt oder anderes, alles mit ruhigen Bewegungen. Ihr könnt ihr Leckerchen hinschieben, vielleicht nimmt sie sie erst, wenn ihr wieder raus gegangen sein, zunächst jedenfalls. Alles dient dem Signalisieren „ich bin harmlos“. Die Katze bestimmt die Distanz, sie nähert sich euch soweit sie möchte, keinesfalls anders herum.
Mit den Tagen wird sich die Samtpfote mehr trauen, den Alltag mitverfolgen, eine gewisse Routine bekommen. Leben noch weitere Katzen mit euch, dann kommt der Zeitpunkt die Tür durch eine Gittertür zu ersetzen und sie etwas mit Kartons auf beiden Seiten zu verbauen. So daß die schüchterne Katze aus einem sicheren Versteck das Leben jenseits des Gitters mitverfolgen kann und auch nicht stets den Blicken der anderen ausgeliefert ist. So kann Begegnung stattfinden, muß aber nicht. Soziale Mitkatzen können sehr hilfreich sein und hier Brücken bauen und vor allem sind menschenzugewandte Katzen eine Hilfe für die schüchterne/scheue Katze, denn sie kann sich an ihnen orientieren und erleben „meine Menschengefährten sind harmlos“.
Kommen die Katzen gut an der Gittertür miteinander aus, gibt es nur freundliche Begegnungen oder gibt es gar keine weiteren Katzen, dann bleibt die Tür auf – doch das Ankunftszimmer ist weiterhin der sichere und vertraute Rückzugsort für die Katze.

Im Alltag mit scheuen und unsicheren Katzen hat unsere Körpersprache eine große Bedeutung. Wollt ihr an einer scheuen Katze vorbeilaufen, wendet euch ab, sprecht sie nur aus Entfernung an und ignoriert sie bei Annäherung bis ihr vorbei seid oder erledigt habt, was in der Nähe der Katze zu erledigen war. Anfangs wird sie vielleicht noch aus solchen Situationen flüchten, mit der Zeit verinnerlicht sie, „ich bin nicht gemeint, ich kann bleiben“. Schaut sie nie intensiv an, blinzelt immer wieder, schaut zwischendrin weg, gähnt, all das was Katzen auch untereinander machen, um sich gegenseitig ihre harmlosen Absichten zu signalisieren.
Wenn ihr euch der Katze nähern möchtet, dann am besten seitlich abgewandt und nicht direkt mit eurer vorderen Körperseite auf die Samtpfote zu, für viele schüchterne Katzen wäre das aus katzensprachlicher Perspektive zu konfrontativ und bedrohlich. Auch ein mögliches zu ihr herunterbeugen oder über sie beugen kann Fluchtreflexe auslösen. Am besten ist ihr begebt euch auf die Ebene eurer Katze für Interaktionen und Kontakt.

Im Leben mit scheuen Katzen spielt einerseits eine gewisse Gewöhnung eine Rolle, vor allem viele positive Erfahrungen mit euch als Menschengefährte, aber auch Ruhe und Gelassenheit. In Situationen von Aufregung, Stress oder Angst sind scheue Katzen weitgehend überfordert, ihr Nervensystem so angespannt, daß tatsächlicher Kontakt von Wesen zu Wesen gar nicht möglich ist. Sie sind dann nicht erreichbar, sie beamen sich weg, erstarren, flüchten und können einfach nicht wahrnehmen, was ihr ihnen signalisieren möchtet. Da hilft nur es so sein zu lassen und Ruhe und Entspannung zu ermöglichen. Bis Kontakt und damit tatsächliche Begegnung stattfinden kann.
Feliway und Bachblüten können helfen, vielleicht aber auch nicht.

Die meisten Katzen finden Vertrauen, doch bitte seid euch bewußt worauf ihr euch einlassen könnt oder möchtet, bevor ihr Gefährte einer eher scheuen Katze werdet. Vielleicht zieht sie ihr Leben lang den Menschen eher aus etwas Distanz vor, ist gern dabei, aber keine Kuschelkatze.
Wenn ihr euch bewußt für das Zusammenleben mit einer sehr scheuen Katze entschieden habt, einer die kein Grundvertrauen hat und es womöglich nie finden wird, vielleicht Jahre braucht um Berührungen zuzulassen, dann freue ich mich riesig über diese Chance für die Samtpfote! Und Verbindung und Verbundenheit zwischen euch ist trotzdem möglich, denn sie hängt nicht vom Körperkontakt ab, sondern von Begegnung und Kontakt auf innerer Ebene. Bietet euch immer wieder an, ladet eure Katze ein und vielleicht läßt sich die Samtpfote mit einem Federwedel streicheln oder legt sich zu euch, wenn ihr sicher verpackt unter eine Decke ruht. Jeder kleine freiwillige Fortschritt, jede Annäherung von eurer Katze aus, jedes kleine Stück mehr Vertrauen wird ein berührendes Ereignis sein.
Schüchtern und scheu ist relativ und katzenindividuell.

Sehr eindringlich möchte ich vom Weg über lebensnotwenige Ressourcen abraten, wie z.B. über Futter aus Not der Katze heraus Nähe zu „erzwingen“ oder über die Sehnsucht nach Leckerchen zu „erpressen“, Dressur oder Konditionierung sind keine Basis für eine Beziehung in Verbindung und Kontakt.
Natürlich könnt ihr Leckerchen anbieten und eure Katze zur Annäherung einladen, doch wenn sie nicht darauf eingehen möchte oder kann, dann legt ihr es ab, schiebt es vielleicht ein kleines Stück in ihre Richtung, entfernt euch und laßt sie damit allein, so respektiert ihr ihre Grenzen. Auf dieser Basis kann Vertrauen wachsen. Folgt eurer Intuition und eurem Gefühl, dem Weg des Herzens und ihr werdet eure Katze erreichen.