Katzenerziehung im gegenseitigen Vertrauen, mit Achtsamkeit und Respekt
Hier geht es mir um Erziehung im Sinne vom Durchsetzen nur weniger sinnvoller Regeln des miteinander Zusammenlebens. Wie wir das auf Katzenart lösen können, schreibe ich weiter unten. Zunächst möchte ich ein wenig die Hintergründe beleuchten.

Wir Menschen denken mitunter, wir müßten unsere Katzen erziehen, trainieren, konditionieren, steuern, anpassen… und suchen die richtige Methode oder ein passendes Produkt. Einfach „etwas“, was unsere Katzen störungsfrei funktionieren läßt in unserem Lebenssystem.
Doch jede Erziehungsabsicht, jeder Konditionierungswunsch ist fragwürdig, wenn er gegen den Wesenskern einer Katze geht, daraus würde eine Verdrehung und Entfremdung von sich selbst folgen. Genau das, was uns Menschen meist schon geschehen ist, um in der Gesellschaft zu funktionieren. Wir würden also die allergrößte Chance im Zusammenleben mit Katzen und ihr Geschenk an uns verpassen. Die tiefe Verwurzelung in ihrer ursprünglichen Wesensnatur.

Katzen begleiten uns und wir sie. Wenn eure Samtpfoten ein für euch störendes Verhalten zeigen, welches ihr ihnen ab-erziehen möchtet, fragt euch: warum?
Warum genau zeigen sie dieses Verhalten?  Was ist ihr Beweggrund und in welchem Kontext? Gäbe es Alternativlösungen? Verändert ihr die Situation, indem ihr gemeinsam neue Wege findet, dann geht ihr miteinander, statt über eure Katzen drüber.
Ich meine damit herausgegriffene Beispiele wie: Katzen die auf der Jagd nach Fliegen oder beim Verfolgen des Außengeschehens die Fensterbretter abräumen –  es macht mehr Sinn Alternativlösungen für das Aufstellen von Deko oder der Blumentöpfe zu suchen, als den Katzen ihr natürliches Verhalten wegerziehen zu wollen. Ihr habt euch für ein Leben mit kleinen Raubtieren entschieden, ihr Jagdtrieb ist Teil ihrer Natur.
Oder Katzen die euch bei der Schreibtischarbeit / beim Kochen unerwünschte oder für sie gefährliche Nähe aufdrängen, entweder weil es spannendes zu beobachten gibt oder sie eure Nähe wünschen… ein weiterer Stuhl am Schreibtisch/ ein Aussichtsplatz mit Übersicht in der Küche und ab und an kurze Aufmerksamkeitssequenzen wandeln die Situation.
Werden Möbel zu eurem Mißfallen als Kratzgelegenheit genutzt, dann könnt ihr zwar versuchen die Stellen mit Decken oder Beduftung zu schützen – doch die Mitteilung eurer Samtpfoten lautet: genau hier und mit diesem Material kann ich perfekt kratzmarkieren. Möglicherweise reichen die vorhandenen Kratzgelegenheiten also nicht aus, sind ungeeigneter als das auserkorene Möbelstück oder an einem ungünstigen Ort platziert. Die Ideen für eine Veränderung/Ergänzung haben euch die Katzen schon mitgeteilt, jetzt seid ihr fürs Umsetzen dran.
Die Liste ließe sich fortsetzen, doch ich glaube das Prinzip ist euch längst klar.
Wenn Katzen nerven oder in ihrem Verhalten lästig/aufdringlich werden, fragt euch bitte: wo sind die Bedürfnisse eurer Katzen vielleicht unerfüllt, wo melden sie dringenden Bedarf an?
Wo seht ihr eure Samtpfote in ihrem individuellen Wesen oder ihrer Katzennatur womöglich nicht?

Es gibt im Miteinander auch Regeln und Grenzen, die beispielsweise aus Gefahrenabwehr wichtig oder anderen Gründen sinnvoll sind. Wie setzen wir sie ohne Drama, auf Augenhöhe und jenseits von Druck und Konditionierung durch?
Regeln durchsetzen ist Energiearbeit, es bedarf einer mentalen Botschaft, einer klaren Ausrichtung und der entsprechenden Körpersprache. Wie würden Katzen das Gleiche untereinander lösen? Sie verkörpern die Botschaft mittels Körperhaltung, Blick, Anspannung und eventuell einem kurzen Laut. Katzen die eindeutig und klar Grenzen kommunizieren sind ein energetischer Gesamtausdruck der Mitteilung.
Wenn ihr diese Art der Kommunikation übernehmt, habt ihr den größten Erfolg. Ein „Nein“, wenn ihr z.B. allein durch die Wohnung-/Haustür gehen möchtet und bereits seht, daß eure Katze mit hinausflitzen möchte, bedeutet daß ihr euch ihr mit Körperanspannung zuwendet, sie starr anseht und beim Aussprechen des „Nein“ auch das Bild dazu im Kopf habt, bis eure Katze den Rückzug antritt, vielleicht müßt ihr noch einen Schritt auf sie zu machen, größer werden – doch ihr wendet euch erst ab oder unterbrecht den Augenkontakt, nachdem eure Katze es getan hat. Das Nein ist dann ein Ganzkörpernein.
Gleiches gilt für ein Nein vor dem Küchenherd oder anderen Situationen. Die Botschaft muß unmißverständlich sein und dazu braucht es keine Sätze oder Erklärungen. Wir Menschen neigen natürlich zu Erklärungen, wie „nein, das darfst du nicht weil….“, das ist hier eher hinderlich und verwässert die Botschaft. Vor allem neigen wir Menschen zu aus Katzensicht uneindeutigen Botschaften. Ein „Nein“ mit fröhlicher Stimme und lässiger oder schlicht müder Körperhaltung ist ein Jein und kein Nein. Entsprechend werden eure Katzen auch darauf reagieren.
Katzen kommunizieren untereinander vor allem mittels Körpersprache und Energie, sie vokalisieren wenig. Daran orientiert ihr euch. Zeichen als Körpersprache sind intuitiv katzseits verständlich und erfolgreich, wenn sie energetisch eurer Botschaft entsprechen. Ein Beispiel ist die vorgestreckte, aufrechte Handfläche als Stoppzeichen.

In jedem Fall benötigt ihr Konsequenz, Katzen sind als Jäger naturgemäß mit einer hohen Mißerfolgstoleranz ausgestattet. Was ihr einmal zugelassen habt, müßt ihr womöglich in der Folge bis zu vierzig mal ablehnen, z.B. Sitzen auf dem Esstisch. In eurer Abwesenheit werden eure Katzen vermutlich dennoch den Esstisch nutzen, denn aus Katzensicht beansprucht ihr diese Ressource in eurer Abwesenheit nicht, sie ist damit frei und häufig ein großer, erhöhter Liegeplatz mit guter Sicht, also für eure Katzen attraktiv.

Für Grenzziehungen folgt ihr dem gleichen Muster.
Nehmen wir z.B. an ihr habt eine neue Katze in eure Gruppe aufgenommen und nachdem jede Katze ihren Futterteller bekommen hat, schlingt die neue Samtpfote ihr Futter runter und möchte gleich nachprüfen gehen, was auf dem Teller einer anderen Katze liegt – bevor diese in Ruhe gefressen und dann freiwillig den Teller verlassen = freigegeben hat. Je nach Distanz zwischen den Tellern schiebt ihr entweder die neue Katze ohne Worte oder mit einem vorausgehenden Nein (Ganzkörpernein) an ihren eigenen Teller zurück oder ihr tretet ihr in den Weg und blockt sie damit, tritt sie zur Seite und möchte vorbei, wiederholt ihr das Ganze, eventuell mit einem kurzen Ausschnaufen.
Grenzen ziehen bedeutet ein Verhalten stoppen, nur das und nur für diesen Moment, es ist quasi die Ressource (hier den Weg) beanspruchen und die betreffende Katze für den Moment ausschließen. Im Tellerfall von oben immer wieder situativ bis zu dem Zeitpunkt, wo die Katze von allein verstanden hat, daß Tellertransit keine Option ist und sie so oder so nicht zu kurz kommt, also keinen Mangel erfährt.

Machen eure Katzen etwas genau richtig, indem sie z.B. die gesetzte Grenze akzeptiert haben, dann könnt ihr vom kätzischen Vorbild abweichend ein fröhlichkräftiges „Dankeschön“ oder anderes Wort als lobende Anerkennung mit entsprechendem Tonfall verwenden. Ein Wort, keine drei Sätze, eine klare Botschaft als zusätzliche Orientierungshilfe.

Manche als störend empfundene Verhaltensweise kann eine Überlebensstrategie aus früheren Zeiten sein. Sie erscheint in der momentanen Lebenssituation zwar unbegründet und so ist womöglich nicht nachvollziehbar, warum eure Katze dabei bleibt, doch bitte versucht den tieferen Sinn zu ergründen.
Ein Beispiel aus der Praxis ist ein junger Kater, der bei jedem Geräusch von Futterzubereitung, Dose öffnen/Futterteller klappern in die Küche gestürmt kam und laut vokalisierte er benötige unbedingt jetzt und sofort etwas davon, obwohl noch ein reiches Futterbuffet hinter ihm stand. Er mußte bei jeder Gelegenheit der Erste sein, der seinen Bedarf anmeldete, unabhängig davon, ob er bereits einen vollen Bauch hatte. Bei der Futterrunde verließ er viele Monate lang zügig seinen Teller, um zu versuchen die Teller der noch fressenden anderen Katzen zu überprüfen. Er wurde stets darin gestoppt und auf seinen Teller zurückverwiesen, dennoch hat sich sein Verhalten mehrere Monate nur in der Intensität seiner Bemühungen langsam abgeschwächt. Er futterte über Monate hinweg meist weit mehr als sein Verdauungssystem gut bewältigen konnte. Der junge Kater kam nie zu kurz, mußte nie hungern, hatte immer Futter zur Verfügung und doch behielt er sein Verhalten lange bei. Warum?
Das erschließt sich aus seiner Vorgeschichte. Er wurde noch sehr jung mit seinen Brüdern auf der Straße aufgegriffen, sie waren die überlebenden Kitten einer verunfallten Streunerin oder ausgesetzt worden. Futter war offensichtlich ein Mangel gewesen und wer nicht der Erste war, bekam nicht genug. Auch als der Kater längst ein gesichertes Leben frei von Mangel führte, behielt er seine Futterfixiertheit etliche Monate bei. Sie hatte ihm einst das Überleben gesichert und war tief verankert.
Dieser ist nur einer von vielen möglichen Überlebensmechanismen.
Wir dürfen viel Verständnis für jeden einzelnen haben und liebevoll auf die ursprüngliche Notlage schauen. Mit ruhiger Konsequenz und viel Geduld können betroffene Katzen mit der Zeit entspannter leben. Dazu gehört ein wachsendes Vertrauen in die neue Lebensumstände und in euch. Bitte respektiert die ursprüngliche Not und begegnet dem Ganzen liebevoll, auch wenn manch Überlebensmechanismus sehr störend für die Katzengruppenharmonie wirken kann. Die betreffende Katze weiß es noch nicht besser und braucht ihre Zeit um neue Erfahrungen zu verinnerlichen.